Paul Schultze-Naumburg - Der Architekt

Paul Schultze-Naumburg hat in seinen „Kulturarbeiten“ einen Wiederanschluss an die Bautradition der Goethezeit verlangt, um so der baulichen „Verwilderung“ in Stadt und Land entgegen zu wirken.
Seiner Meinung nach hatte der Verlust der Tradition dazu geführt, dass kaum noch ein Bauwerk dem glich, was es seiner Aufgabe nach darzustellen hatte: Der Palast war nicht mehr als Palast, der Bauernhof nicht mehr als Hof, das kleine Gartenhaus nicht mehr als solches erkennbar.
Diese „babylonische Bauverwirrung“, in der es an festen Typen für die jeweilige Bauaufgabe mangelte, galt dem Architekten und Kulturkritiker als generelles Kennzeichen seiner Gegenwart.
Vor diesem Hintergrund lässt sich Schultze-Naumburgs eigenes architektonische Werk verstehen, dem zwar das Avantgardistische fehlt, nicht aber die Qualität.

 

Schloss Freudenberg, Wiesbaden 1905   Schloss Freudenberg Einfahrt
Schloss Freudenberg, Wiesbaden 1905   Schloss Freudenberg Einfahrt
 
Gartenanlage Schloss Neudeck, 1904
Gartenanlage Schloss Neudeck, 1904

 

Paul Schultze Naumburgs Haus in Burgbrohl, 1922-1923   Stilistische Neuerungen waren ihm fremd. Er wählte für die jeweilige Bauaufgabe denjenigen Stil, der in der allgemeinen Vorstellung am engsten damit verbunden war. Seine Bauten entbehrten zwar des Reizes des Neuen; aber es gelang ihm stattdessen etwas, was vielen Architekten und Bauleuten seit Beginn der Industrialisierung eher misslingt: eine Synthese von Bauwerk und Umwelt, von Haus, Landschaft und Historie.
Paul Schultze Naumburgs Haus in Burgbrohl, 1922-1923    

 

Wohnhauskolonie in Merseburg, 1911   Schloss Cecilienhof in Potsdam, 1912–1917
Wohnhauskolonie in Merseburg, 1911   Schloss Cecilienhof in Potsdam, 1912–1917

 

Vornehmlich wegen seines Bekenntnisses zur Tradition war Paul Schultze-Naumburg ein gefragter Architekt. Darüber hinaus wurde er mit seinen Reformbemühungen und seinen baukünstlerischen Leistungen zum Initiator der Bauströmung „Um 1800“, die sich an der Baugesinnung der Goethezeit orientierte.
Diese Stilrichtung, welche die Überladenheit des Historismus ebenso wie die Verspieltheiten des Jugendstils ablehnte, gewann Einfluss auch auf die lange vernachlässigte „anonyme Architektur“, auf den Bau von Kleinbürgerhäusern, Bauernhäusern, Stallungen und Lagergebäuden.
Ihr verpflichteten sich nicht nur die Verfechter handwerklicher Traditionen, sondern ebenso künftige Vertreter der Moderne, z. B.
Walter Gropius, Ludwig Mies van der Rohe, Hans Scharoun, Bruno Taut und Ernst May – waren doch hier die von der Avantgarde später geforderte Formreduktion und Sachlichkeit bereits bekundet worden.
 
Während Schultze-Naumburg in seinen „Kulturarbeiten“ nahezu alle Bauaufgaben behandelte, beschränkte er sich in der eigenen Praxis vornehmlich auf den exklusiven Wohnungsbau, auf Land- und Gutshäuser, Villen sowie Schlösser.

 

Schloss Peseckendorf Parkseite 1906   Schloss Peseckendorf Wasserseite 1906
Schloss Peseckendorf Parkseite 1906   Schloss Peseckendorf Wasserseite

 

Schloss Altendorf 1905-1907   Gutsanlage Marienthal, Gartenseite, 1913–1914
Schloss Altendorf 1905-1907   Gutsanlage Marienthal, Gartenseite, 1913–1914

 

Gut Marienthal bei Eckartsberga, Modell der Gesamtanlage, 1913–1914
Gut Marienthal bei Eckartsberga, Modell der Gesamtanlage, 1913–1914

 

Anders als zahlreiche seiner Kollegen aus der Bewegung „Um 1800“ suchte er nach dem Ersten Weltkrieg keine neue Formensprache.
Die baukünstlerische Moderne des „Neuen Bauens“ hielt er für einen Irrweg, den er in Wort und Tat vehement bekämpfte, so in seinen Schriften „Das bürgerliche Haus“ (1926) und „Flaches oder geneigtes Dach?“ (1927).
Im Jahre 1928 trat er an die Spitze der gegen das „
Neue Bauen“ gerichteten Architektenvereinigung „Der Block“; alsbald wurde er zum Sprachrohr des nationalsozialistischen „Kampfbundes für deutsche Kultur“.

 

Nicht realisierter Entwurf   Doch erwies sich Schultze-Naumburg nach der NS-„Machtergreifung“ als unzeitgemäßer Architekt und Theoretiker. Sein biedermeierlich wirkender „völkischer Heimatstil“ passte weder in das Bild einer Herrschaftsarchitektur des „Altreiches“ noch in die Architektur- und Großraumplanungen für die „nationalsozialistische Neuordnung Europas“. Für beides bot sich eine neue Architektengeneration an.
Nicht realisierter Entwurf für den Adolf-Hitler-Platz in Weimar
(sogenanntes Gauforum), Frühjahr 1935
   
 
Das „Weimarer Gauforum“ z. B. baute der Münchener Stararchitekt Hermann Giesler. Der „alte Vorkämpfer“ Schultze-Naumburg wurde mit dem Bau der Weimarer „Nietzsche-Gedächtnishalle“ gleichsam abgespeist. Er war weder an den Nürnberger noch an den Berliner Großbauten beteiligt.
 

 

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Der Autor - Klaus Piontzik